Hermann Eder hat seinen Kindheitstraum verwirklicht, enorme Risiken auf sich genommen – und sich von nichts und niemandem aufhalten lassen. Mit 23 war er der jüngste festangestellte Berufspilot Österreichs und einer der jüngsten Helikoptepiloten mit Job überhaupt.
Text von Marcel Schlegel – Fotos von Marko Roth und Linda Ambrosius
Mit 23 Jahren hatte Hermann Eder es geschafft. Die Füße im warmen Sand und den Blick auf das klare blaue Meer gerichtet, stand er an der Küste Hawaiis. Hier drehte Hermann, selbst begnadeter Fahrer, Mountainbike-Videos. Sein Bike und seine Kamera hatten ihn schon um die halbe Welt gebracht. Hermann lebte den Traum von vielen, könnte man meinen. Doch in diesem Moment, am Traumstrand von Hawaii, hob Hermann den Blick zum Himmel. Dort oben flogen majestätisch brummend ein paar Helikopter die Küste entlang. Und plötzlich wusste er wieder: Sein persönlicher Traum flog da oben. Was also machte er noch hier unten?
Helikopter hatten den Österreicher schon durch sein ganzes Leben begleitet – wie ein wiederkehrender Traum, den der Schlaf stets mit neuem Leben erfüllt. „Ich war schon als kleiner Bub immer fasziniert von Hubschraubern“, sagt der heute 25-Jährige. Hermanns Mutter musste dem Sohn zum Beispiel Woche für Woche die RTL-Kultserie „Medicopter 117“, die ab Ende der 90er zur Primetime lief, auf VHS-Kassette aufzeichnen. „Gleich nach der Schule habe ich mir dann eine Folge nach der anderen reingezogen, ich konnte gar nicht genug davon bekommen“, sagt Hermann und ergänzt mit schelmischem Grinsen: „Ein bisschen verdanke ich auch dieser Fernsehserie, dass ich heute Helikopter-Pilot bin.“ Noch zu Schulzeiten hatte Hermann fest daran geglaubt, irgendwann einmal in einem Cockpit zu sitzen. Doch kannte auch er jene Sätze, dass wer Pilot werden wolle, auch gute Noten haben müsse. „Und ja, Lernen war nie mein Ding. Ich wollte raus in die Natur, Biken und Sport machen.“
Einige Jahre später, Hermann war mit seinem Bike unterwegs, das nächste Schlüsselerlebnis: Ein regnerischer Morgen in Zell am See, Hermann nahm eine Abkürzung durch die Wälder im Salzburger Land, als über ihm ein Helikopter auftauchte. Was für ein großartiges Gefühl das sein müsse, früh am Morgen hoch oben über den verschlafenen Dörfern entlang der Alpen zu fliegen, dachte er sich. „Als ich den Helikopter über mir schweben sah, war ich wie gelähmt und habe diesem so lange hinterher gestarrt, bis der Heli hinter den Bergketten verschwunden war.“
Noch am gleichen Morgen eröffnete Hermann den Eltern seinen weiteren Lebensplan: Geld verdienen, Pilotenschein machen – und dann im Helikopter-Cockpit durchstarten. Doch Hermanns Vision wurde schon auf der Startbahn ausgebremst. Der Vater, der im Bekanntenkreis einige Male schmerzlich erfahren musste, wie gefährlich das Dasein eines Heli-Piloten sein kann, redete dem Jungen diesen „Schmarrn“ direkt wieder aus. „Meine Mutter zeigte mehr Verständnis“, erinnert sich Hermann. „Sie wusste genau, wie lange dieser Traum schon in mir schlummerte.“
Heute erzählt Mama Eder die Anekdote, wie sie mit dem sechsjährigen Hermann mal zur Hubschrauber-Weltmeisterschaft in die Steiermark fuhr. Dort machten die beiden einen Rundflug und Hermann brachte vor Begeisterung kaum mehr ein Wort heraus. Noch im Cockpit schaute Hermanns Mutter den Piloten an, nickte dem Jungen zu und meinte: „Irgendwann muss wohl der Bausparvertrag dran glauben.“
Am Strand von Hawaii wurde Hermann von den Helikoptern schließlich wieder eingeholt. „Als ich die Hubschrauber sah, war dieses emotionale Gefühl wieder da“, erzählt er. Zurück in Zell am See konfrontierte Hermann seine Eltern erneut mit seinem Vorhaben. Die Familie rechnete und plante. Schließlich eröffnete ihm seine Mutter: „Wir kriegen das mit der Finanzierung der Ausbildung hin.“ Der Bausparvertrag war fällig. Das sei ein unglaublicher Vertrauensvorschuss seiner Eltern gewesen, weiß Hermann.
Hört man Hermann Eder seine Geschichte erzählen, klingen zwei Denkweisen immer wieder durch. Sätze, mit denen sich die meisten jungen Menschen schon konfrontiert sahen. Die eine Seite gibt der Vernunft ein Sprachrohr – diesen lauter werdenden Zweifeln, meistens von Seiten der Eltern, die den Nachwuchs zur Bodenhaftung mahnen. „Mach’ was G’scheites“ hätten ihm Freunde und Bekannte immer wieder entgegnet. Die Ausbildung sei viel zu teuer, zu schwer und am Ende habe man als unerfahrener Berufspilot dennoch kaum Chancen auf eine Festanstellung – das hatte Hermann immer von älteren Kollegen gehört.
Hermann aber folgte schließlich dem Ruf der anderen Stimme. „Ich habe mich nicht mehr aufhalten lassen, auch wenn mir jeder sagte, wie unrealistisch und unvernünftig mein Vorhaben sei.“ Der damals 21-Jährige streckte einen zweistelligen Betrag vor und begann die Ausbildung zum Helikopter-Berufspiloten. Die nächsten acht Monate bestanden für den Salzburger aus Flugstunden und trister Theorie. „Am Anfang ist es wie Fahrradfahren: super schwer, aber wenn man hinfällt, muss man halt wieder aufstehen.“ Hermann kam ins Grübeln: War es die richtige Entscheidung? Zwar stellte er sich beim Fliegen bald schon sehr gut an, „aber das Lernen hat mir nie Spaß gemacht“. In ihm reifte die Erkenntnis: Wer einmal im Cockpit sitzen will, muss eben zunächst mit dem Schreibtisch vorlieb nehmen. „Als ich dann die Theorie gepackt hatte, wusste ich, dass ich es schaffen werde.“
Mit der Geschwindigkeit von Rotorenblättern zog Hermann die Ausbildung durch und nach der Mindestanforderung von nur 17 Unterrichtsstunden machte er seinen ersten Soloflug, wenige Monate später war er bereit für die Prüfung. Und schaffte sie. Da stand er nun, den Falco-Song „Nie wieder Schule“ im Ohr, den Berufspiloten-Schein in der Tasche, aber gleichzeitig ohne Job und um einen Betrag erleichtert, der gut und gerne auch für ein kleines Einfamilienhaus ausgereicht hätte. „Die wenigsten Jungpiloten bekommen nach ihrer Ausbildung gleich einen festen Job“, sagt Hermann. Man brauche meist ein paar Tausend Flugstunden, bis die Hubschrauber-Airlines einen Berufspiloten fest einstellten. Hermann, mit 23 Jahre ein Küken in der Branche, hatte derer 140 Stunden auf dem Konto – und Berufserfahrung gleich null.
Doch dann, im Dezember 2015, hatte Hermann wohl das, was man das Glück des Tüchtigen nennt. Dem frischgebackenen Piloten war zu Ohren gekommen, dass sich ein Hüttenwirt aus dem Dorf einen Helikopter gekauft hatte. Rudi, der eine Wanderhütte im „Steinernen Meer“ bei Saalbach betrieb, nutzte den Hubschrauber, um damit Güter für den Hüttenbetrieb auf den Berg zu befördern. „Eines Tages wollte ich mit einem Freund wandern gehen“, erinnert sich Hermann.
„Obwohl es zunächst nicht unser Ziel war, sind wir vier Stunden den Berg hinauf gewandert und bei Rudi vorbeigegangen – es war Intuition, die mich führte.“ Oben angekommen, habe er Rudi gefragt, ob er ab und zu seinen Hubschrauber leihen könne. Rudi schaute kritisch drein. Ein paar Tage später rief er Hermann zu sich und gemeinsam machten sie einen ersten Flug. Die beiden wurden Freunde und ein halbes Jahr später gründete Rudi eine Firma – mit Hermann als seinem Berufspiloten, mit 23 Jahren war Hermann damit der jüngste festangestellte Berufspilot Österreichs und einer der jüngsten berufstätigen Piloten überhaupt.
Bis heute kann Hermann sein Glück kaum fassen. „Es ist unglaublich, wie viel Vertrauen Rudi mir entgegen bringt“, sagt Hermann. „Er war meine Lotto sechs.“ Seither fliegen Hermann und Rudi diverse Spezialaufträge, in Florida, Georgien – eben wo der Schuh drückt. Mal transportieren die beiden VIPs von A nach B, dann bieten sie Rundflüge über die österreichischen Alpen an.
Nicht immer glaubten die Kunden ihm direkt, dass er der Pilot sei, erzählt Hermann. „Wenn mir Passagiere erzählen, es sei ihr erster Flug, antworte ich manchmal: meiner auch.“ Hermann lacht. Doch dann, wenn er daran denkt, wie er seinen Heli aus dem Hangar befördert, gerät er ins Schwärmen. „Das Helikopterfliegen gibt dir ein unglaubliche Freiheit, man kann Schweben, Wippen – mit der Leichtigkeit eines Adler“, sagt Hermann. „Immer, wenn ich wieder über die Berge meiner Heimat fliege und hinab ins Tal schaue, erkenne ich, wie unglaublich privilegiert ich doch bin.“
VIDEO ZU HERMANN EDER VON MARKO ROTH
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