Warum lieben die Menschen Rap-Musik? Guru von der legendären US-Kombo Gang Starr mutmaßte, es sei der Stimme des MCs wegen. „It mostly tha voice“, reimte die mittlerweile verstorbene New Yorker Legende Mitte der 90er. Gewiss – doch eben nicht nur. Denn nicht selten feiern Hip-Hop-Heads die Musik auch wegen der Instrumentals, der Beats. Und eben die Producer werden retrospektiv oftmals übergangen. Dies wollen die Easywriters ändern: In der Mini-Serie „Beasts of Beats“ lassen wir Beatmacher wie MCs gleichermaßen zu Wort kommen. Los geht’s mit dem Mainzer Produzenten f.audiotreats, dem Mentor des renommierten Beatmachers Shuko.
von Marcel Schlegel
1988 fing alles an. Von einem Nachbarn hatte f.audiotreats damals einen Drumcomputer ausgeliehen und versucht, seine ersten Beats zu programmieren. Ganz naiv sei er zunächst an die Sache herangegangen, er habe damals an dem Gerät mehr „herumgefummelt“ als tatsächlich Beats gebaut, erzählt der Mainzer Produzent, der Jahre später mit Deutschrap-Größen wie Dendemann, Blumentopf, Nico Suave oder Samy Deluxe zusammenarbeiten sollte. „Ich habe beispielsweise Drumloops mit Kassetten mit dem Pausenknopf meines Tapedecks gemacht“, sagt f.audiotreats. Vier Jahre später kaufte er sich dann seinen ersten eigenen Drumcomputer: eine Ensoniq Ars 10 – für 6000 D-Mark.
„Das war damals für mich eine Mega-Investition, aber es hat nicht lange gedauert und ich hatte das Gerät durch meine Produktionen bezahlt. Bis heute produziere ich immer noch auf der Ars 10. Ich hatte im Laufe der Jahre so einiges an Equipment zu Hause, aber es kam nichts an dieses Gerät heran. Nicht umsonst produzieren Timberland, Kanye West und viele andere mit diesem Gerät.“
1992 lernte f.audiotreats dann Hoschi kennen, der heute beim „Slice Mag“ ist und schon damals ein Studio und einen Plattenladen besaß.
„Er zeigte mir Cubase auf dem Atari. Ich dachte: Jetzt verstehe ich gar nichts mehr – und trotzdem kaufte ich mir gleich am nächsten Tag einen Atari 1040 und Hoschi kopierte mir das Programm auf Diskette. Das vereinfachte einiges und ich hatte plötzlich 1000 Möglichkeiten mehr. Von 1992 bis 2002 habe ich dann bei den Jungs im Plattenladen gearbeitet, dort lernte ich so nebenbei, wie man Platten zusammen mischt. Man hatte ja fast den ganzen Tag Zeit, das zu üben. In dieser Zeit habe ich sehr viel über Musik, aber auch über die Menschen an sich gelernt.“
Irgendwann lief f.audiotreats in Mainz dem jungen Shuko über den Weg. Mit Shuko, zu dessen Klientel bis heute unter anderem Cro, Sido, Materia oder Jedi-Mind-Tricks-MC Vinnie Paz zählen, verbindet f.audiotreats eine lange Freundschaft, die unter anderem in den drei Beat-Brettern „Cookies & Cream“ zur musikalischen Entfaltung kam.
„Shuko war vielleicht 15 oder 16. Die Jungs waren der Hip-Hop-Nachwuchs in Mainz. Ich traf mich mit ihm und zeigte ihm einige Sachen auf der MPC. Er nahm jede Woche einen Stapel Platten aus meinem Studio mit – und brachte sie die Woche drauf wieder mit: zusammen mit jeder Menge cooler Beats. Mein damaliger Partner und ich hatten so eine kleine Mentor-Funktion für ihn.“
Seit gut 20 Jahren lebt f.audiotreats seine Musik. „Ich mache eigentlich fast nichts anderes. Ich bin Full-Time-Hip-Hopper.“ Seine Liebe zu diesem Lifestyle sei 1984/1985 geboren. Damals hätten türkische Freunde auf dem Schulhof gebreakdanced – in coolen Trainingsanzügen und mit Shell Toe Adidias-Sneakern an.
„Dann lief da ,Planet Rock’ oder ,Egyptian Lover’ – das fand ich sehr beeindruckend und ich war natürlich gleich angefixt. Natürlich wurde in der Folge auch das ein oder andere Ding gemalt. Deutsche und Türken waren eine Einheit, wir haben uns super verstanden.“
Seinerzeit hatte sich der Mainzer wohl selbst noch nicht erträumen lassen, wohin ihn die Musik einmal bringen würde – und wen er durch seine Beats noch alles kennen lernen sollte. Seit über 15 Jahren arbeitet f.audiotreats als DJ, Produzent und Veranstalter. „Ich reise durch das ganze Land und lege Musik auf.“ Regelmäßig sehe man ihn im Mainzer „Redcat“, für das er auch Acts an Land ziehe. Ob Bahamadia, Slum Village, Up High, Lone Catalysts, Beatnuts, Oddisee oder Kev Brown – sie alle waren schon bei f.audiotreats zu Besuch.
„So ist das auch mit den Low-Budget-Jungs um Kev Brown zustande gekommen. Ich hatte die schon nach Mainz geholt, da kannte die noch kein Mensch. Mittlerweile fliege ich ab und an nach D.C. und besuche die Jungs. Wir sind mittlerweile gute Freunde und man grillt etwa bei Kaimbr im Garten oder fährt mit Kev Brown durch Washington und spielt sich gegenseitig Beats vor.“
Die USA spielten auch bei den Produktionen der bekannten drei „Cookies & Cream“-Platten, die er zusammen mit Shuko produzierte, eine essentielle Rolle.
„Bei der ersten C&C haben wir einfach Beats zusammengesucht, die vom Vibe her gepasst haben. Bei Nummer zwei und drei haben wir uns dann getroffen und ein paar Tracks gemeinsam gemacht. Cookies & Cream kam mir, als ich wieder bei den Jungs in D.C. war. Oddisee zeigte mir damals ein Foto, das er gemacht hatte – von einem Ice-Cream-Truck. Da dachte ich, hey cooles Bild für ein Cover. Der Titel hat sehr gut die entspannten Beats wiedergegeben.“
Cookies und Leckereien – das passte zu f.audiotreats. Seit 1998 trägt der Mainzer diesen Künstlernamen; „treat“ stünde dabei für „musikalische Leckerei“ und nicht, wie oftmals vermutet, für das englische „behandeln“. f.audiotreats liebt Vinyl, er mag den Old-Skool-Vibe.
„Ich bin Extrem-Digger. Ich sammele schon sehr lange Platten und hatte das Glück, meine Sammlung vor dem ganzen Hype aufzubauen. Ich kaufe nach wie vor Vinyl. Es ist das beste Medium. Man kann Musik anfassen, sehen und am Ende hören. CDs haben für mich noch nie einen großen Stellenwert gehabt. Und MP3 noch weniger. Ich glaube, es sind mittlerweile 6000 Platten, die ich besitze. Man zieht einfach ein paar ’raus und skipt ein paar Mal drüber. Dann bleibt man auf einem Track kleben, der einem in dem Moment gefällt – und dann geht’s los. Früher saß ich den ganzen Tag im Studio. Heute ist das so, dass ich die Samples sammle, die dann schon im Kopf zusammenbaue, und wenn ich Zeit habe, gehe ich ins Studio und mache einen nach dem anderen fertig.“
Die Inspiration komme meistens aus den USA. Auf Producer wie Teddy Riley, Erick Sermon, Pete Rock und den jungen J Dilla (O-Ton: „Bevor ihn alle cool fanden.“) lasse er nichts kommen.
„Packe’ alle vier in einen Topf, rühr’ gut um – und du hast einen Beat von mir. Über die Jahre hast du ja auch deinen eigenen Style entwickelt, man braucht da gar nicht mehr so sehr über den Teich schauen.“
Stevie Wonder sei zudem ein Künstler, der ihn immer wieder beeindrucke. „Es gibt zu viele gute Musik, aber Stevie Wonder löst bei mir irgendwas aus – ich kann das gar nicht beschreiben.“ Die Liste der Zusammenarbeiten ist lang – und namhaft. Das Dendemann-Album „Die Pfütze des Eisbergs“ ist etwa zu großen Teilen von f.audiotreats produziert.
„Das ist ein sehr geiles Album geworden. Aber es war sehr viel Arbeit und sehr anstrengend. Seit dieser Zeit habe ich keine Lust mehr, mit MCs zu arbeiten, die anstrengend sind, was ich ja auch zum Glück nicht muss. Wenn ich Musik mache, mache ich, worauf ich Bock habe, und gehe keinerlei Kompromisse ein.“
Ohnehin sei der Rapper im Business oftmals overrated, findet der Vinyl-Sammler. „Klar ist der Produzent underrated. Wenn man mal ehrlich ist, macht er den ganzen Song und der MC rappt nur darauf“, sagt f.audiotreats nur halb im Ernst.
„Das Problem ist, dass die Musik, die wir Beatbauer machen, eine Sparten-Musik ist. Sprich: Für den normal Konsumenten ist das zu viel Musik. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen in den Clubs einfach offener werden und sich auch mal auf etwas einlassen und nicht nur das hören wollen, was sie vom Radio und dem TV vorgesetzt bekommen. Derzeit klingt doch alles gleich. Und wenn ihr in den Club geht, dann feiert. Und lasst das Smartphone zu Haus.“
Von den digitalen Medien sei er dennoch nicht völlig abgeneigt.
„Auf der einen Seite finde ich es cool, dass es einem so einfach gemacht wird, Musik zu machen. Früher hat es ein Arsch voll Geld gekostet – und du hast für jeden Sound ein Gerät gebraucht. Heute ist es so einfach. Und so klingt es manchmal aber leider auch. Früher musste man kreativer sein, heute wird es einem zu einfach gemacht und alles klingt gleich, weil alle auf die gleichen Plug-Ins und Sounds zurückgreifen. Sachen wie soundcloud und spotify sind cool. Aber die Sache verliert an Wert. Keiner kauft mehr Musik, alle wollen alles umsonst haben. Und der Künstler, der sich den Arsch aufreißt, verkauft nicht mehr viel. Das nächste Problem ist, dass jetzt jeder DJ wird – in Zeiten von Serato, Traktor und so weiter. 80 Prozent der Jungs und Mädels, die sich heute DJs nennen, wären früher gar nicht auf die Idee gekommen. Es war einfach fucking teuer und man musste mehrere Kisten mit in den Club schleppen. Früher war gewiss nicht alles besser, denn das stimmt nicht. Aber die Sache wurde respektvoller behandelt.“
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[…] Hier der erste Teil der Mini Serie: Easywriters „Beasts of Beats“ presents f.audiotreats […]
[…] geht’s zu den ersten beiden Teilen der Serie: zu f.audiotreats und Mr. […]
[…] Sinatra I f.audiotreats I Mr. […]
[…] geht’s zu den übrigen Teilen der Serie: f.audiotreats – Mr. Schnabel – Brenk Sinatra – Count Bass […]
[…] f.audiotreats – Mr. Schnabel – Brenk Sinatra – Count Bass D – BeatPete […]