Neues von den Kolumen-Fuzzis bei den easywriters. In der Serie „Easy BOOOM!“ berichten euch Julian und Marcel von den Kuriositäten des Alltags und vom Kleinen und Großen des Ganzen. Mal witzig, mal ernst – doch immer frei Schnauze. Julian hat Post bekommen. Und irgendwie störte er sich daran.
von Julian Bäder
Vor kurzem trudelte ein Brief von einem Online-Versandhaus bei mir ein. Es war ein ordentlicher Umschlag, darin eine Art Postkarte und zehn Euro. Zugegeben, es handelte sich erstens nicht um eine Postkarte im eigentlichen Sinne. Zweitens handelte es sich nicht um zehn Euro im eigentlichen Sinne. Die Postkarte zeigte ein unscharfes, schlecht zugeschnittenes Foto von einem kleinen Hund mit einem aufgesetzten Geweih (aus Plüsch). Die zehn Euro waren Falschgeld und eigentlich nur ein Versuch, auszusehen wie zehn Dollar.
Auf den ersten Blick schenkt mir da also ein Versandhaus zehn Euro oder zehn Dollar. Anbei ein Bild von einem kleinen Hund. Wie soll ich das verstehen? Ist der Hund zu verkaufen und kostet passenderweise zehn Dollar? Gibt man mir Geld, um das Bild des Hundes zu ertragen? Er sieht wohlgenährt und gesund aus, hat jedoch einen Dackelblick aufgesetzt, der eventuell auch den härtesten Weihnachtsskeptiker in die Knie zwingt. „Nein, ich werde für Weihnachten keine Geschenke kaufen.“ – „Oh, schau an, ein Hund mit Geweih und Hundeblick! Dispositionskredit, diene mir.“ Oder ist das Ganze vielleicht nur eine subtile Einladung in einen Stripclub, in dem die Tänzerinnen Plüschgeweihe tragen und man ihnen man zehn Dollar – Scheine ins Höschen stecken muss?
Üblicherweise steht bei Postkarten immer noch etwas auf der Rückseite, was auch hier der Fall war. Im Text wurde sehr einfühlsam auf meine Gefühle eingegangen. Man nannte mich „Sonnenschein“, bezeichnete die Karte als „niedlich“ und wollte nicht, dass mir das „Novemberwetter aufs Gemüt schlägt“. Bekanntermaßen sei mit „kalten Nieren nicht zu spaßen“, daher das „bisschen Taschengeld für etwas Warmes zum Anziehen“. Am meisten berührt hat mich dann dieser Name am Schluss des Briefes, der Gruß aus dem Sitz des Versandhauses in einer norddeutschen Stadt: „Deine Lotta“. Wie wir alle wissen, hat mindestens jeder dritte deutsche Bürger eine Lotta kennengelernt und sie in guter Erinnerung behalten. Wenn nicht, dann verheißt der Name Lotta jedenfalls etwas Intimes, Unwiderstehliches und Liebevolles. Kümmert sich Lotta um uns, dann entdecken wir plötzlich wieder unsere wahren Gefühle in uns und tun das, was wir wirklich tun wollen.
Nach einiger Zeit fiel mir wie Schuppen von den Augen, dass diese Karte einen tiefen Einblick in das Herz des erfolgreichen Unternehmens x zulässt (ja, wir werden unser Bild der blondgelockten, 28-jährigen Lotta revidieren müssen):
Weg zum Glück (wahlweise Verderben):
- Etabliere deinen Understatement-Charakter nicht, sondern ersetze ihn durch Aufmerksamkeitshascherei.
- Versuche, durch angepasstes Vokabular die weiche und verletzliche Seite deiner Kunden anzusprechen, sie werden sich nicht wehren können.
- Vermittle die besonderen harten Fälle an Lotta aus dem Erdgeschoss. Sie kennt sicherlich einen Weg, die abtrünnigen Männer unter uns wieder dazu zu bewegen, warme und kuschelige Kleider zu kaufen. Ist die abtrünnige Person eine Frau, wende dich einfach an Walter. Der sitzt gleich neben Lotta. Die beiden kommen seit 1986 eigentlich nur so gerne wieder, weil man die Hausschuhe anlassen darf, kleine, gutmütige Hunde nicht verboten sind und die Deko der Weihnachtsfeier im letzten Jahr immer noch unter dem Tannenbaum aus Spritzguss liegt.
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